Ein Familienabenteuer zu viert: Mit dem Wohnwagen quer durch Europa

7 min Lesedauer

Oft bekommen Paare den Satz zu hören: Sind die Kinder erst einmal da, gehen viele Dinge nicht mehr. Dass das Quatsch ist, beweisen Dominic (41) und Melanie (40) aus Baden-Württemberg. Das Paar reist derzeit mit den beiden Kindern, Tochter Tamila (7) und Sohn Ben (9), quer durch Südeuropa – und zwar auf unbestimmte Zeit und losgelöst von Schulferien. Melanie und die Kinder sind nämlich aus Deutschland abgemeldet und die Kinder somit von der Schulpflicht befreit. Statt vormittags im Klassenzimmer Mathe zu pauken, wird nun am Strand oder im Wohnwagen gelernt. Unsere Autorin wollte wissen, wie das Lernen auf Reisen funktioniert und hat mit Dominic und Melanie via Skype gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt liegen gerade einmal zwei Wochen Abenteuerreise hinter ihnen – die anstrengenden Reisevorbereitungen sind noch sehr präsent.

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Damit ihr als Familie frei reisen könnt, habt ihr eure Kinder aus Deutschland abgemeldet. Wäre eine Beurlaubung denn nicht einfacher gewesen?

Melanie: Das dachten wir zunächst auch, als wir den Antrag auf „beruflich reisend“ gestellt haben. Das war dann aber doch nicht so. Nach Gesprächen mit der Schule und dem zuständigen Schulamt war die Abmeldung aus Deutschland der bessere Weg. Nur so greift die Schulpflicht nicht mehr und die Kinder sind frei zum Reisen. Also haben wir die Kinder und mich abgemeldet. Das Drumherum um die Abmeldung war recht mühselig. Es hat sehr viel Zeit gekostet…

Dominic: …und Nerven!

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Welche Hürden waren die größten?

Melanie: Mit der Abmeldung kamen plötzlich ganz viele neue Dinge, um die wir uns bis zum Abreisetag kümmern mussten. Beispiel Krankenversicherung: Dominic und ich sind mit unserem Online-Business selbstständig tätig und freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Für unsere Reise mussten wir nun die gesetzliche Versicherung zu Hause auf Eis legen. Auf Reisen sind wir über eine Langzeit-Auslandsversicherung abgesichert. Die Krankenkasse zu Hause wird dann wieder aktiviert, wenn wir wieder an unserem Wohnort gemeldet sind.

Dominic: Bei unseren Behördengängen hat man gemerkt: Alle finden es gut, was wir vorhaben, aber die vorhandenen Strukturen im System sind dafür gar nicht ausgelegt. Auch die Schule fand es gut, dass wir mit den Kindern so lange reisen möchten. Allerdings wusste anfangs keiner so recht, wie damit umzugehen ist.

Melanie: Die Bürokratie war rückblickend die größte Herausforderung bei den Reisevorbereitungen.

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Und wie lernen die Kinder jetzt?

Melanie: Wir haben uns zunächst den gesamten Lernstoff der zweiten und vierten Klasse besorgt. So wissen wir als Eltern, was die Kinder in ihrem jeweiligen Schuljahr lernen müssen. Bei Ben geht es beispielsweise los mit Zahlen bis zu einer Million. Das sollte innerhalb des vierten Schuljahres sitzen. Wie und wo die Kinder im Endeffekt lernen, ob am Strand oder im Wohnwagen mit Stift und Papier, ist zweitrangig.

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Ihr lebt gerade den Traum vieler jungen Familien. Wie finanziert ihr euch das Leben auf Reisen?

Dominic: Wir haben die letzten zwei Jahre darauf hingearbeitet, dass wir heute überwiegend ortsunabhängig unser Geld verdienen können. Angefangen haben wir mit einem Camper-Blog. Parallel dazu, hat sich ein Podcast-Consulting-Business entwickelt. Heute sind wir eine digitale Medienagentur für Podcast- und Websiten-Betreiber. Für all das brauchen wir im Grunde nur eine gute Internetverbindung.

Melanie: Zu Hause haben wir zudem auch unser Haus samt Inventar vermietet.

Wie hat sich euer Alltag verändert, seit ihr im Wohnwagen lebt und arbeitet?

Melanie: Zu Hause war der Tag durch den Schulbesuch der Kinder fest strukturiert. Die Vormittage waren fürs Arbeiten reserviert. Und die Nachmittage wurden an die Wünsche der Kinder angepasst.

Dominic: Im Moment haben wir noch keine festen Zeiten zum Arbeiten, das muss sich erst noch einspielen. Da wir alles übers Internet machen, brauchen wir zunächst eine gute und stabile Internetverbindung. Das bestimmt gerade den Arbeitsrhythmus. Das WLAN auf Campingplätzen kannst du zum Arbeiten echt vergessen. Wir gehen in der Regel immer über das Mobilfunknetz ins Internet. Die Tarife und Verbindungen sind außerhalb von Deutschland generell besser als bei uns.

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Worauf freut ihr euch jetzt am meisten?

Dominic: Dass wir nicht an Ferienzeiten gebunden sind, wir frei entscheiden können, wie lange wir an einem Ort bleiben. Wir können endlich so reisen, wie es zu uns passt.

Melanie: Ich freue mich, dass wir unseren Kindern die Möglichkeit geben können, zu erfahren, dass man auch anders lernen kann. Dass es nicht immer die fünf bis sechs Stunden in einer Schule sein müssen, wo sie alles eingetrichtert bekommen. Sie haben jetzt die Chance zu sehen, wie man seinen Tag auch abseits der Norm strukturieren kann. Sie fangen an, ihre Lernzeiten selbst zu bestimmen. Gestern Abend lagen die beiden mit ihren Matheaufgaben im Bett. Ich finde es spannend und bin gespannt, wie sich das über die nächsten Wochen entwickeln wird.

Von verflixten Zeitzonen und absoluter Gelassenheit

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Knapp drei Monate später verabreden sich Dominic und Melanie mit unserer Autorin für ein zweites Gespräch. In Berlin ist es bereits trüb und nass. Der Herbst ist da. Über 2.500 Kilometer weiter südlich sitzt das Paar in ihrem Wohnwagen vor dem aufgeklappten Laptop, „irgendwo zwischen Porto und Lissabon“.

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Wisst ihr eigentlich, welcher Wochentag heute ist?

Melanie: Freitag.

Dominic: Nein, Donnerstag.

Melanie: Ach so…(lacht)… Ich glaube, das kam jetzt rüber wie: Wir wissen es nicht.

Dominic: Du weißt nicht, welcher Wochentag ist. Ich hingegen habe Probleme mit der Uhrzeit. Hier in Portugal haben wir eine Stunde Zeitverschiebung. Diese Stunde Unterschied kriege ich nicht hin.

Ihr habt in der Zwischenzeit den siebten Geburtstag eurer Tochter Tamila gefeiert. Erzählt doch mal.

Melanie: Da waren wir noch in Spanien. Wir haben alle zusammen hier im Wohnwagen einen Schokoladenkuchen gebacken. Zu Hause würden die Kinder aus der Schule kommen und alles wäre vorbereitet. Hier haben wir gemeinsam den Kuchen dekoriert. Schon dabei hatten die Kinder einen Riesenspaß. Und zur Feier des Tages durfte Tamila im Einkaufszentrum nach Lust und Laune shoppen.

Dominic: Das war kein klassischer Kindergeburtstag, wie es ihn zu Hause gegeben hätte, aber sie fand es toll.

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Ihr lebt seit gut drei Monaten zu viert in einem Wohnwagen. Wird es euch nicht zu eng?

Melanie: Manchmal ja. Wenn man frisch aufgeräumt hat, ist alles gut. Bricht dann bald darauf wieder Chaos aus, beispielsweise wenn man vom Strand oder vom Einkaufen kommt, wäre ein Quadratmeter mehr sehr schön.

Und wie klappt das Lernen mittlerweile?

Melanie: Relativ gut, ab und zu müssen wir sie schon motivieren, etwa, wenn ein Bereich ansteht, den sie nicht so gerne lernen. Die Schulhefte sind zeitweise nicht wirklich beliebt. Aber wir haben in der Zwischenzeit eine kostenlose App gefunden, die den gesamten Lernstoff für jede Klassenstufe und jedes Fach enthält – wie die Schulbücher, nur eben in digitaler Form.

Dominic: Die Kinder schauen sich den Lernstoff jetzt sehr häufig über die App an. Das digitale Lernen macht ihnen deutlich mehr Spaß.

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Wie sieht mittlerweile euer Alltag auf Reisen aus?

Dominic: Vormittags arbeiten Melanie und ich meistens oder lernen mit den Kindern. Im Anschluss frühstücken wir alle zusammen und überlegen uns, was wir an dem Tag unternehmen wollen. Dann sind wir oft den ganzen Tag unterwegs. Abends arbeiten wir wieder oder lernen mit den Kindern. Im Moment steht im Gespräch, ob wir die Lerneinheiten nicht auf den Abend verlegen wollen. Die Kinder lernen derzeit eher ungern tagsüber, vielmehr wollen sie die Gegend entdecken.

Melanie: Wir haben mehr Rhythmus als am Anfang, mehr Organisation und sind dennoch super flexibel.

Dominic: Es gibt auch Tage, an denen wir nichts tun. Dann machen wir zusammen einen „Chill out“-Tag, wenn die Kinder gerade keine Lust auf Action haben und das Wetter nicht gut ist.

Das klingt nach großer Freiheit…

Melanie: Das man sich seine Zeit so frei einteilen kann, wie wir das gerade machen, gibt es im gewohnten alltäglichen Leben eigentlich nie. Irgendeine Vorgabe gibt es doch immer.

Wie lange werdet ihr noch reisen?

Melanie: Wissen wir noch nicht. Bis Januar, Februar oder länger. Mal schauen, wie es weiter geht.

Und habt ihr denn schon Pläne für Weihnachten?

Dominic: Nee, gar nicht! Ich weiß, in Deutschland wird man bereits überall daran erinnert, dass Weihnachten vor der Tür steht. Für uns ist das noch sehr weit weg. Wir bleiben entspannt und gehen da komplett unvoreingenommen ran.

Melanie: Auch die Kinder sind ganz entspannt. Anfangs hatten wir uns doch etwas Sorgen gemacht, ob sie wohl diesen festen Rahmen vermissen werden. Aber es ist gar nicht so. Wir haben auch das Gefühl, dass diese Art von Leben und Reisen unseren Kindern sehr gut tut. Sie lernen ein bisschen ihren eigenen Weg zu gehen, Dinge auszuprobieren und auf ihr Bauchgefühl zu hören – das empfinden wir als großes Glück.

Eine gute Reise weiterhin! Und danke für das Gespräch.

Bilder © Camper On Tour

Letzte Aktualisierung: 27/01/2021
Author: Iunia Mihu