Großfamilie beim Essen auf dem Campingplatz

Familie XXL geht campen

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Drei Generationen, 21 Kinder und Erwachsene: Eine Großfamilie stellt am Lago di Mergozzo in Italien fest, dass Camping ideal für den gemeinsamen Urlaub ist.

Der Weckruf für die Wagenburg kommt früh am Morgen und ist nicht zu überhören: Leonore, Johann, Helene und Konrad lehnen sich aus den Klappfenstern der Wohnmobile und Caravans und begrüßen sich mit lautem Hallo – ein Spaß für die Kleinen, zu zeitig für die Eltern, Onkel und Tanten, die lieber länger schlafen würden. Wie gut, dass Oma Alexandra Frühaufsteherin ist und mit den Enkelkindern im Laden des Campingplatzes einkaufen kann. 40 Brötchen, das Frühstück muss für eine sehr große Großfamilie reichen. Alexandra Thurmaier hat sieben Töchter und drei Söhne im Alter zwischen 21 und 33 Jahren. Neun der zehn Kinder sind zum einwöchigen Familientreffen auf dem Camping Continental am italienischen Lago di Mergozzo gekommen. Ihr Mann Alfons, 62, war kurzfristig krank geworden und musste sich zu Hause in Herdwangen am Bodensee auskurieren. Dazu kommen die Partner der Kinder und fünf Enkel, macht zusammen 21 Menschen. Eine logistische Herausforderung vor Ort und in der Vorbereitung.

Drei volle Einkaufswagen für eine halbe Woche

Über den WhatsApp-Familienchat wurde monatelang ein Termin gesucht, an dem möglichst viele Zeit haben. Die Idee zum Camping hatte Theresa, in der Erwin Hymer Group für Unternehmenskommunikation zuständig. Sie kümmerte sich um zwei Wohnwagen und sechs Wohnmobile und stimmte mit ihrer Familie ab, wer was mitbringt: Bierbänke, Klappstühle, Planen fürs Zeltdach, Wäscheleinen, Fahrräder, Bälle, Luftmatratzen, Grills, Geschirr und möglichst große Töpfe. Ein Fall für Mutter Alexandra, die mit XXL-Töpfen bestens ausgestattet ist – schließlich wurde daheim früher für zwölf Personen gekocht. Theresa und ihr Mann Jochen übernahmen den Einkauf der Grundnahrungsmittel für die ersten Tage. „Wir haben mit drei knallvollen Wagen an der Supermarktkasse gestanden“, erzählt sie, „das war wie früher, als wir alle noch daheim gewohnt haben.“

„Damals“, so ergänzt ihr jüngster Bruder Alexander lachend, „haben uns die Leute immer gefragt, ob wir für ein Unternehmen einkaufen.“ Das Unternehmen ist eine Großfamilie, die heute weit verstreut lebt, in Deutschland, der Schweiz und Kanada – von dort ist Alexander als Überraschungsgast angereist. Einmal im Jahr kommen alle für ein paar Tage zusammen, mieten ein Ferienhaus für das Familientreffen. Diesmal einige nebeneinanderliegende Plätze auf dem Camping Continental Village am italienischen Lago di Mergozzo im Piemont, knapp 40 Kilometer hinter der Schweizer Grenze. Ein idyllischer kleiner See mit Sandstrand, der nur einen Kilometer vom Lago Maggiore entfernt ist. Ein schöner Ort für die erste gemeinsame Campingerfahrung. Das Wetter spielt auch mit: herrlicher Spätsommer Anfang September.

Vier Geburtstage und zwei Hochzeitstage

Zwölf Uhr, Zeit fürs Mittagessen. In den Campern wird mit vereinten Kräften geschnippelt und gekocht – Penne mit Rucola und Cocktailtomaten. Gemeinsam essen, gemeinsam abwaschen, gemeinsam feiern: Raphaela wird heute 23 Jahre alt, einer von vier Geburtstagen und zwei Hochzeitstagen in der Familienwoche. Nach dem Essen fahren einige der Großen zum Paintballspielen nach Verbania. Die Kleinen gehen mit Müttern, Tanten und Oma an den See, auf das Rasenstück abseits des großen Sandstrands. Das Wasser ist warm und am Anfang flach, ideal für Kinder. Konrad hatte hier ein großes Erfolgserlebnis: Er kann jetzt schwimmen. Ohne Schwimmgürtel. Den trägt nun der kleine Bruder Johann.

Abends ist Konrad wieder sehr, sehr stolz. Mit seinem Onkel Andreas hat er im Wohnmobil die Anzeige des Brauchwassertanks inspiziert und diesen an der Entsorgungsstation entleert. „Natürlich wollten die Kinder alles ausprobieren“, erzählt Brigitta, Mutter von Konrad, Helene, Mathilde und Johann, „die Kameras, die ausfahrbaren Treppen und die Lenkräder.“ Wohnmobile und Caravans als Erlebniswelt. Auch spät am Abend, weil sich in der Wagenburg unendlich viele Möglichkeiten ergeben zu übernachten. Brigitta: „Meine Kinder haben schon Wochen vor dem Urlaub gefragt, ob sie denn mal bei jedem schlafen dürfen.“ Sie dürfen, und so wechseln Kuscheltiere und Schlafanzüge jeden Abend das Fahrzeug. Brigitta freut sich über die Entlastung: „Allein wäre es hier mit vier kleinen Kindern zu anstrengend gewesen.“

Abendessen, diesmal unter dem großen Zeltdach in der Mitte der Wagenburg – Chili con carne, für die Vegetarier ohne Fleisch. Dazu große Schüsseln mit buntem Salat mit Feta und als Nachtisch Wassermelone. Die kleine Leonore will noch nicht ins Bett, isst ein großes Stück nach dem anderen, die Erwachsenen planen den nächsten Tag.
Die Wetterprognose ist nicht so gut, bedeckt oder vielleicht regnerisch. Also keine Bootstour auf dem nahen Lago Maggiore zur Isola Bella. Und auch keine Bergwanderung auf den Monte Faiè. Macht nichts, der Campingplatz hat genug zu bieten: Tennisplätze für die Großen, einen Riesenpool und einen Spielplatz für die Kleinen. Mal ganz abgesehen vom Strand am See zum Schwimmen, Surfen, Fußball- oder Federballspielen. Außerdem hat sich die Großfamilie sehr viel zu erzählen und spielt leidenschaftlich gern. Raphaela, Dorothea und Katharina haben mit ihren Neffen Johann und Konrad im Wohnwagen eine Runde „Die Siedler von Catan“ angefangen. Vor dem Wohnmobil gegenüber steht ein Berg Schuhe. Drinnen werden Werwölfe gesucht, ein Gesellschaftsspiel für Gruppen zwischen acht und 28 Personen – ideal für unsere Großfamilie. Bei „Werwolf“ geht es darum, durch geschicktes Fragen herauszufinden, wer braver Bürger, Ritter, Gaukler und Werwolf ist – wer in welche Rolle geschlüpft ist, haben alle auf Zetteln aufgeschrieben.

„Camping war perfekt, weil wir immer zusammen waren“

Gefressen wird glücklicherweise niemand von den Werwölfen, und so ist die Gruppe am Abend vor der Abreise vollzählig. Fazit der gemeinsamen Campingwoche: „Kein normaler Urlaub, eine coole Erfahrung“, sagt Alexander. „Super, ganz toll“, fand es Sophie, „ich hätte nicht erwartet, dass man im Wohnmobil duschen kann und sogar eine Toilette hat.“ Ihre Schwiegermutter Alexandra ergänzt: „Da musste man auf nichts verzichten, das ist Luxus pur, und die Fahrzeuge haben sogar richtige Einbauküchen.“ Sohn Christoph lobt das Gemeinschaftserlebnis: „Für uns war Camping perfekt, weil wir immer in einer Runde waren. Und da hier jeder sein eigenes Haus hatte, konnte man sich auch mal zurückziehen, wenn man das wollte.“

Am letzten Tag wird Konrad fünf, und wenn es nach ihm ginge, würde niemand abreisen. „Er sagt immer, dass er vom Urlaub träumen möchte“, erzählt seine Tante Theresa, „er will für immer hierbleiben.“ Gut möglich, dass es bald wieder ein Familientreffen auf einem Campingplatz gibt. Sicher ist, dass im nächsten Jahr die Gruppe noch ein bisschen größer ist. Dorothea und Raphaela sind schwanger – zwei weitere Enkelkinder für Alexandra und Alfons Thurmaier. „Mein Papa wünscht sich hundert Enkelkinder“, sagt Theresa. Wenn sein Wunsch in Erfüllung geht, braucht die Familie irgendwann einen kleinen Campingplatz für sich allein.

Fotos: Alberto Bernasconi

Letzte Aktualisierung: 16/09/2021
Author: Christof Henn