Egeskov in Dänemark

Camping in Dänemark – Nordsee? Ostsee? Südsee!

7 min Lesedauer

Durchatmen im Watt oder Sonnenbaden auf der grünen Insel Fünen? Rau oder sanft? In Dänemark liegen zwei Meereswelten nah beieinander. Wir haben die beiden bei einer Tour verglichen – und noch eine dritte entdeckt.

Ins Watt geht Alexander Wenig grundsätzlich barfuß. Wir dagegen steigen gern in die Gummistiefel im kühlen Küstengrau bei frischem Wind. Aber der 18-Jährige ist eben ein echter Nordsee-Fan und deshalb hundertprozentig am richtigen Ort bei seinem Freiwilligen Ökologischen Jahr hier im Wattenmeerzentrum Ribe. Im schmatzenden Schlamm gräbt er ausdauernd nach Würmern, sucht schnelle Surferschnecken und erzählt von den Seehunden und den 32 Einwohnern der Mini-Insel Mandø gleich gegenüber vom neuen Zentrum am Meer. Zwei Jahre lang wurde das Museum umgebaut, jetzt zieht es auch durch seine außergewöhnliche Architektur Besucherscharen an: Der schräge neue Komplex mit reetgedeckten Dachflächen und Wänden wirkt, als würde er direkt aus dem flachen Marschland wachsen.

Im strahlend weißen Innenraum vermittelt modernes Ausstellungsdesign lebendiges Wissen übers Watt und über die Zugvögel. Riesige Schwärme sieht man hier vor allem im Herbst, erzählt der junge Experte vom Phänomen „Schwarze Sonne“. So spannend, dass wir richtig Lust kriegen auf mehr Naturwunder im schönen kühlen Grau. Und auf diese Weite, in der man ständig durchschnaufen möchte. Fazit nach der ersten Etappe unserer Küsten-Vergleichs-Tour: Das Wattenmeerzentrum Ribe ist ein neuer Grund, an die Nordsee zu fahren.

Luxus-Hygge

Denn beim Dänemark-Urlaub stellt sich ja immer die Frage: Nordsee oder Ostsee? Deshalb wollen wir die Meereswelten vergleichen. Das funktioniert sogar auf einer Kurztour von vier Tagen in dem kleinen Königreich, das rund 5.000 Campinghütten bietet. Wir haben uns ein Spitzenmodell ausgesucht, das genau zur Nordsee passt: eines der reetgedeckten Fischerhäuser auf Pfählen im Teich des Campingplatzes Hvidbjerg Strand in Blåvand. Schicke Inneneinrichtung, große Holzveranda, einige mit Whirlpool – die noblen Hütten sind begehrt bei Glampinggästen. Viele kennen sich schon, halten übers Geländer ein Schwätzchen mit den nahen Nachbarn. Zum Beispiel über den Fang im angrenzenden See, wo man sich die Forelle fürs Abendessen angeln kann.
Auch manche Wohnmobil- und Caravan-Urlauber gönnen sich hier Luxusplätze samt eigenem Badehaus, natürlich mit Reetdach. Und brutzeln mal gemeinsam in einer hübschen Gemeinschaftsküche, gut ausgestattet mit Gasherden, Backöfen und Holztischen fürs Mahl in größerer Runde. Klarer Fall von „Hygge“, dem dänischen Weg zum Glück durch Gemütlichkeit und Gemeinschaft, mittlerweile ein internationales Modewort. Für seine Landsleute sei „vor allem wichtig, mit wem sie Urlaub machen“, meint Platz-Chef Steen-Slaikjaer. Der Trend gehe zum Nahziel: „Die meisten Dänen waren sowieso schon überall.“ Mit seiner Schwester Lene leitet er das Familienunternehmen, nun ein Resort mit Westernstadt, Spielparadiesen, Bade- und Wellnesslandschaft. Jetzt zeigt er uns die Neuheiten: ein Hotel mit Familienappartements, Restaurant, Strandvillen mit offenem Kamin, alles im cool maritimen Design. Bei all dem wirkt der Chef, früher Marketingmann bei Lego, vollständig entspannt und hat auch Zeit für die Surfreviere in der Nähe. Sein topmoderner Platz bringt Hygge der Luxusklasse und liefert einen weiteren Grund für Campingurlaub an der Nordsee.

Geschichte unter dem Sand

Angesichts des Angebots im Resort könnte man fast den Strand von Blåvand vergessen. Dabei ist der feinsandig und kilometerlang, wie wir vom Leuchtturm an Dänemarks westlichstem Punkt erkennen. Unter uns zeigt sich die jüngste Geschichte der Küste: Überreste deutscher Bunker, vier davon als riesige Maultiere mit Eisenkopf und -schweif zum Kunstwerk umgestaltet. Doch die größte Überraschung verbirgt sich fast völlig in den Dünen. In der ehemaligen Tirpitz-Stellung entstand das neue Museum des dänischen Weltklasse-Architekten Bjarke Ingels. Vier Rampen führen ins Innere des vermeintlichen Sandhügels. Wir staunen über die lichte Weite des Platzes im Eingangsbereich, dessen große Glasfronten Einblicke ins Museum gewähren.
Dort starten Zeitreisen zu Bernsteinschätzen, in die Tage der Mammuts und die Bunker-Historie. Sehr persönliche Geschichten schildern die Situation während der deutschen Besatzung – beispielhaft für „Hunderte von Storys unter dem Sand“, die Museumschef Claus Kjeld Jensen so spannend erzählt, dass man ihm stundenlang zuhören könnte. Vom spektakulär versteckten Neubau aus Beton, Stahl und Glas führt ein Tunnel in den Originalbunker, bevor wir wieder hinaus in die Dünen kommen. In den Sommersonnenschein, wo kurz zuvor Novembernebel herrschte. Wir haben viel gelernt über die Geschichte der Küste in einem außergewöhnlichen Museum, das allein eine Tour an die Nordsee wert wäre.

Halbzeit: Seitenwechsel an die Ostsee

Als Gegenpart zur rauen Nordsee haben wir uns die nahe Insel Fünen ausgesucht – den sogenannten „Garten Dänemarks“. Und wir wollen den Wechsel in die andere Meereswelt zum Erlebnis machen. Beim „Bridgewalking“ in Middelfart, einem Spaziergang in 60 Metern Höhe über dem Lillebælt auf Stegen, die sonst für Reparaturen benutzt werden. Wir tragen dabei Overalls in dezentem Brückengrau, damit wir die Autofahrer unten nicht ablenken, und sind gut gesichert an Seilen. Nervenkitzel und sportlicher Anspruch halten sich dabei in recht hyggeligen Grenzen. Die Guides erzählen nette Geschichten, etwa von den „Meerschweinchen“, die man gelegentlich von hier oben entdecken kann: Gemeint sind Schweinswale. Und der schöne Ausblick über die Meerenge macht schon mal neugierig auf die grüne Insel Fünen, die wir jetzt ansteuern.

Märchenhafte Zeitreisen

Dichter Hans Christian Andersen wurde in Fünens kleiner Inselhauptstadt Odense geboren, so manche Gasse mit Puppenstubenhäuschen und Kopfsteinpflaster sieht dort noch fast so aus wie damals. Aber Odenses Mitte ist auch im Umbruch: Eine Leichtbahn entsteht. Und für über 40 Millionen Euro neu gebaut wird das Andersen-Museum samt Kinderkulturhaus, wo Lulu, 5, eben noch Rüschenkleider anprobiert und im historischen Kaufladen spielt. „Wir sind bestimmt unter den ersten Besuchern, wenn das alles 2019 wieder eröffnet“, sagt ihre Oma Amanda Brandenhoff.
Noch märchenhafter in Andersens Zeiten versetzt uns Egeskov, eines von 123 Schlössern und Herrenhäusern auf Fünen. Das Renaissance-¬Wasserschloss mit riesigem Park und allein sieben Kilometern Hecken ist gar nicht museal, sondern voller Leben. Dazu gehört ein großes Angebot für jede Generation: auf Opas Stelzen laufen oder zum Segway-Ritterturnier starten, im Labyrinth herumirren oder die Oldtimersammlungen des Grafen bewundern. Hier steht der Cadillac von König Christian X. ebenso wie das frühe E-Mobil einer US-Präsiden-tengattin in Rosa. Remisen beherbergen historische Fahr- und Motorräder und sogar Retro-Camper. Mittendrin im Schloss wohnt nach wie vor die gräfliche Familie, zu Festivals kommen locker über 10.000 Besucher auf das Gelände, erzählt Verwalter Henrik Neelmeyer.

Genuss im Garten Dänemarks

Warum die Insel Fünen als Garten Dänemarks gilt, verstehen wir, als wir an meterhohen Fliederalleen, leuchtgelben Rapsfeldern, sattgrünen Wiesen und topgepflegten Blumenbeeten entlangrollen – und an stillen, kleinen Buchten mit Blick auf die blitzblaue Ostsee. Henning Wiesinger war hier als deutsches Urlauberkind, jetzt ist Fünen zu seiner neuen Heimat geworden. Der ehemalige Investmentbanker hat mit seiner dänischen Frau den Gutshof Steensgaard übernommen und auf Bio umgestellt. „Für uns waren all die Businesspläne irgendwann nicht mehr wert als das Papier. Wir wollten etwas produzieren, auf das wir stolz sein können“, sagt er mit Blick auf das alte Backstein-Gutshaus und seine glücklichen Kühe und Schweine.
Im skandinavisch hellen Restaurant probieren wir Wurstwaren und Schinken, die in der gläsernen Metzgerei daneben hergestellt und im Hofladen verkauft werden. Stolz führt Wiesinger durchs kleine Schlachthaus und erzählt, wie schwierig es war, hier noch einen gelernten Metzger zu finden – „dabei gibt es in Dänemark 29 Millionen Schweine bei 5 Millionen Einwohnern“. Für ein Comeback des Fleischerhandwerks will sich der Bio-Bauer einsetzen – nur einer von vielen lokalen Produzenten, die Fünens Gourmetrestaurants beliefern. Genuss im Garten Dänemarks: ein gewichtiger Grund mehr, die Ostsee anzusteuern.

Camperglück mit Meeresblick

Jetzt fehlt uns noch der typische Ostsee-Campingplatz. Bei Faaborg liegt CampOne Bøjden in einer Bucht mit weitem Blick übers Meer und Sandstrand. Vom Steg aus betrachten wir den großartigen Sonnenuntergang, beziehen dann eine gemütliche Hütte, die Blick aufs Wasser bietet – wie alles hier, selbst der große Grillplatz der Gemeinschaftsküche. Ein kleiner Rundgang führt zu Badelandschaft, Restaurant und Minigolf – alles eine Nummer kleiner als im Hvidbjerg-Resort an der Nordsee, aber vielleicht noch dänisch-hyggeliger. Natürlich spielt auch das Wetter mit: Sonnenschein und Windstille durchgehend, seit wir die Ostsee erreicht haben. Und der Platz mit viel Meerblick sorgt für weiteres Plus in der Gefühlsbilanz.
Also ein Unentschieden im Nordsee-Ostsee-Vergleich? Wir gehen in die Verlängerung und fahren noch in die Inselwelt weiter südlich, auch „Dänische Südsee“ genannt. Auf den kilometerlangen Brücken kann man sich beinahe wie auf dem Weg zu den Keys in Florida fühlen. Noch geruhsamer als auf der schickeren Nachbarinsel Fünen geht es dann auf Langeland zu: Weniger Ferienhäuser, mehr Felder. Helle Sandstrände laden zum Sonnenbaden fast schon mit Südsee-Feeling. Neidisch sehen wir einem alten Holzsegler nach, der von Svendborg aus durchs südfünische Inselmeer kreuzt, während wir mit der Fähre von Bøjden aus den Heimweg antreten müssen.

Fazit: Am besten Nordsee und Ostsee auf einer Tour und die „Südsee“ gleich noch dazu. Dann färbt mit ausreichend „Hygge“ vielleicht auch die dänische Entspanntheit ein bisschen ab.

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Fotos: Jörg Modrow

Letzte Aktualisierung: 28/01/2021
Author: Andrea Streichele