Das EWS Derby 2019 in Tasmanien

Mit Mountainbike und Familie zum Camping nach Tasmanien

8 min Lesedauer

Christian Textor alias Texi – der breiten Masse mag dieser Name vielleicht nicht geläufig
sein, in der Enduro-Mountainbike-Szene ist der zweifache Deutsche Meister hingegen ein
Sternchen am Radsport-Himmel. Der 28-Jährige braust für sein Leben gern steile
Abhänge und enge, waldige Strecken hinunter. Sein Gegner? Die Zeit. Vor Kurzem hat der
Leistungssportler und Familienvater sein Können auf dem Enduro-Bike in Neuseeland und
Tasmanien unter Beweis gestellt. Sein größter Support vor Ort: seine Frau Katrina. Sie
und der knapp 2-jährige Sohn Theo haben den Deutschen Meister bis ans andere Ende
der Welt begleitet. Grund genug für Christian, nach dem letzten Rennen noch einen
entspannten Familien-Campingtrip durch Tasmanien dranzuhängen. Kaum in Deutschland
zurück, hat er mit unserer Autorin über seine Camping-Erfahrung in der Wildnis und seinen
Weg in den Radsport gesprochen.

Foto: Boris Beyer

Christian, campen in Tasmanien klingt nach Abenteuer. Wie war’s?

Atemberaubend! Wobei das Campen in Tasmanien zunächst aus der Not heraus
entstanden ist. Wenn irgendwo ein Enduro-Rennen ansteht, suchen wir uns in der Regel
eine Ferienwohnung in der Nähe der Rennstrecke. In Tasmanien waren die Unterkünfte
aber super schnell ausgebucht, sodass wir, für diese Zeit, in einem Wohnmobil leben
mussten – im Nachhinein die beste Entscheidung.

Warum?

Nach dem Rad-Rennen konnten wir ganz frei entscheiden, welche Route wir fahren und
wo wir stehen bleiben. Wir waren an neun verschiedenen Orten in zehn Tagen. Die
Campingplätze haben wir uns immer per Smartphone am jeweiligen Tag reserviert. Das ist
die beste Art, diese wunderschöne Insel vor Australien zu erkunden. Selbst finanziell sind
wir mit dem Wohnmobil günstiger weggekommen als es mit einer Ferienwohnung samt
Mietwagen der Fall gewesen wäre.

Beim Campen hat man zwar weniger Platz, aber dafür mehr Reisefreiheit.

Genau. Und unser 2-jähriger Sohn Theo hat im Wohnmobil so super mitgemacht, dass
die Wohnbedingungen letztlich sehr entspannt waren. Das Land ist auf Camper
vorbereitet. Die Natur dort ist noch recht unberührt und es gibt Campingplätze ohne Ende.
Kostenfreie Plätze sind sehr einfach gehalten, kostenpflichtige gibt’s für rund 15 Euro am
Tag. Meist sind diese Campingplätze mitten im Nationalpark und der Parkeintritt ist da
schon mit drin. Eine Herausforderung waren jedoch die Straßenverhältnisse. Die Straßen
dort sind oft recht eng.

Dein Sohn Theo wächst ja quasi mit dem Campen auf – warst du als Kind auch mit
deinen Eltern campen?

Ja. Ich bin der Jüngste von fünf Kindern und war in meiner Kindheit in der privilegierten
Position, dass ich mit meiner Familie in den Urlaub fahren konnte. Wir hatten früher einen
Wohnwagen und sind etwa bis nach Spanien an die Küste gefahren. Camping ist nichts
Fremdes für mich. Und als ich vor ein paar Jahren mit den Rad-Rennen angefangen habe,
habe ich hinten im Auto oder in einem Bus geschlafen. Meist war ich mit Kumpels
unterwegs. Tagsüber auf dem Rad und abends am Lagerfeuer abhängen, grillen, Bier
trinken – das hatte richtig Festival-Charakter. Je professioneller die Rennen wurden, desto
professioneller wurde auch meine Schlafunterkunft.

Du bist zweifacher Deutscher Meister in der Sportart Enduro-Mountainbike. Fährst
du als Einzelperson oder im Team?

Das Rennen selbst fahre ich allein. Ich gegen die Uhr. Aber ich gehöre auch zu einem
Team – ähnlich wie ein Rennstall im Motorsport. Ich bin Teil des „Bulls“-Teams. Der Kölner
Bike-Hersteller ist seit vielen Jahren mein Sponsor.

Wurde dir normales Fahrradfahren irgendwann zu langweilig?

Gute Frage. Ich glaube, dass jeder in sich eine Leidenschaft für etwas trägt, sei es eine
Sportart, ein Musikinstrument oder eine andere Kunstform. Ich glaube, wenn man anfängt,
seine Passion zu entdecken, möchte man mehr davon. Bei mir hat das mit Fahrradfahren
angefangen. Das Rad war mein liebstes Spielzeug. Statt mit den anderen Fußball zu
spielen, saß ich auf dem Fahrradsattel.

Foto: Boris Beyer

Und wie ist diese Leidenschaft weiter gewachsen?

In Filmen und im Fernsehen habe ich irgendwann gesehen, dass es Leute gibt, die mit
ihrem Fahrrad durch die Gegend springen und andere verrückte Dinge tun. Das wollte ich
auch ausprobieren! So habe ich mich stetig weiter entwickelt. Heute ist Enduro für mich
normales Fahrradfahren.

Kommt es also schon mal vor, dass du auf deinem Enduro-Bike die
Sonntagsbrötchen holst?

Tatsächlich ist mein Fahrrad auch ein Alltagsgerät für mich. Wir kaufen oft ein und
erledigen Dinge mit dem Rad. Mittlerweile ist es ja auch mein Hauptberuf.

Und seit wann verdienst du mit dem Radsport deine Brötchen?

Seit 2017. Das war ein schleichender Prozess. Den Mechatroniker-Beruf, den ich gelernt
habe, wurde stetig weniger. Das Radfahren nahm hingegen zu. Damit Geld zu verdienen –
damit habe ich mir definitiv einen Traum erfüllt! Aber ich habe niemals aus diesem Grund
mit dem Fahrradfahren angefangen. Ich denke, ich bin bis hierher gekommen, weil
Fahrradfahren mir in erster Linie einfach Spaß macht.

Dein Bike ist ständiger Begleiter – wie geht deine Familie damit um?

Der Radsport gehört zu unserem Leben dazu. Meine Frau Katrina hat mich als Radfahrer
kennen gelernt – dementsprechend wusste sie, worauf sie sich eingelassen hat! (lacht)
Auch sind viele unserer Freundschaften über den Sport entstanden. Insofern spielt er für
uns eine große Rolle. Für meine Mama war es zunächst schwierig, als sie mitgekriegt hat,
dass ich wilde Sachen auf dem Fahrrad mache. Aber auch sie hat sich mittlerweile daran
gewöhnt. Zumal sie weiß: Ich steige nicht kopflos aufs Rad, sondern kalkuliert. Ich weiß
ganz genau, was ich tue.

Foto: Boris Beyer

Wie bereitest du dich auf ein Rennen vor?

Bei den Weltmeisterschaften habe ich die Möglichkeit, jede Rennstrecke – in der
Fachsprache sagen wir Stage – einmal vorher abzufahren und sie auch zu Fuß zu
begehen, mir Schlüsselstellen anzuschauen und sie gegebenenfalls mit dem Rad
mehrmals abzufahren. Ich arbeite mit einer Helmkamera. Das heißt, ich nehme alles auf,
was ich mache. Abends schaue ich mir alle Stages genau an. Das hilft dem Gehirn, die
Stellen im Rennen schnellstmöglichst wiederzuerkennen. Kein Mensch kann sich jede
Wurzel oder jeden Stein merken, aber es ist beeindruckend wie gut der Kopf funktioniert.
Wenn ich an eine Stelle komme, weiß ich ziemlich schnell, was ich tun muss, weil die
Bilder dann wieder da sind. Man muss im entsprechenden Moment funktionieren und
kann nicht mehr darüber nachdenken, ob man nun schalten oder bremsen muss. Das sind
Automatismen, die ich abrufe – da ist sehr oft viel Denksport dabei.

Foto: Boris Beyer

In deiner Disziplin musst du also auch mental fit und gesund sein. Was gibt dir
Kraft?

Mein Glaube an Gott. Ich glaube, dass Gott seine Hand über mich hält – auch wenn ich
Rad fahre. Das ist natürlich kein Freifahrtschein, um irgendwelche Dummheiten zu
begehen. Denn, ich glaube auch, dass Gott uns Menschen einen Kopf zum Nachdenken
gegeben hat. Mein Glaube hilft mir auch, den Leistungsdruck als solchen locker zu
nehmen.

Inwiefern?

Ich mache meine Identität nicht an Tabellenergebnissen fest. Ich weiß, dass ich ein
wertgeschätzter und geliebter Mensch von Gott bin. Dieses Wissen gibt mir auch die Kraft,
mit Niederlagen gut umzugehen. Für viele Leute bricht ja oft eine Welt zusammen, wenn
es mal nicht so rund läuft. Natürlich bin ich als Sportler sauer oder traurig, wenn ich es
vermasselt habe – das ist auch völlig normal und wichtig, um daraus zu lernen – , aber ich
weiß, dass mich das nicht ausmacht. Mein Glaube macht mich aus. Und meine Werte.
Insofern habe ich damit auch die Möglichkeit, mental das ganz anders anzugehen.

Wobei der Mensch ja immer ein stückweit mit sich selbst kämpft. Und
Leistungsdruck ist etwas menschliches.

Ja,es ist eine gewisse Motivation, um wieder Vollgas zu geben. Wenn man nur so larifari
Dinge tun würde, käme man auch nicht weiter. Und die Ergebnisse sind natürlich wichtig,
weil dahinter Sponsoren stehen. Aber man muss auch realistisch sein. Ich werde ja nicht
ewig gleich gut fahren können. Und ich glaube, gerade im Leistungssport klammern sich
viele an ihre Ergebnisse. Dabei kommt der Spaß an der Sache abhanden. Das ist
tragisch, denn mit der Freude an der Sache hat alles begonnen.

Lebst du das auch deinem Sohn vor?

Ich habe die große Motivation, meinem Kind folgende Lebensweise vorzuleben: Finde
deine Leidenschaft, hör auf dein Herz und lebe danach. Versauere aber nicht in einem
System oder einem Job, auf den du keinen Bock hast. Man soll das machen, wovon man
träumt!

Foto: Boris Beyer

Ihm das vorzuleben ist vermutlich das Beste, was du deinem Kind mitgeben kannst.

Gerade in unserer deutschen Struktur bekommt man oft Gegenwind, wenn man seinen
Job kündigt und erst einmal reisen will. Ich habe das gemacht. Und das waren letztlich
auch die ersten Schritte, die ich im Radsport gemacht habe. Plötzlich wurden Leute auf
mich aufmerksam, weil ich öfters mein Können auf dem Bike bewiesen habe. Irgendwann
kam auch der erste Sponsor. Es hätte ja auch anders laufen können. Aber wenn man
seine Träume leben will, muss man auch bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen.

Nach dem Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt?

So ist es. Im schlimmsten Fall, hat man Lebenserfahrung gewonnen.

Du kannst es bestimmt kaum abwarten deinem Sohn das Fahrradfahren
beizubringen, oder?

(lacht) Das schon, aber ich möchte mich da zurückhalten. Meine Eltern zum Beispiel
hatten mit dem Radsport gar nichts am Hut. Zwar ist mein älterer Bruder früher viel
Fahrrad gefahren, aber meine Leidenschaft habe ich für mich entdeckt. Und genauso
möchte ich meinem Sohn den Freiraum geben, herauszufinden, was ihm Spaß macht.

Foto: Boris Beyer

Christian, vielen Dank für das Gespräch!

Letzte Aktualisierung: 30/09/2021
Author: Iunia Mihu